Dienstag, 22. März 2011

Inflation vs. Deflation (Teil I)

Vor einigen Monaten war dies noch die Frage der Fragen. Mittlerweile beobachten wir "alternativlose" und systemstützende, d.h. höchst inflationäre Maßnahmen extremen Ausmaßes. Man muss kein Prophet sein, um sich auszumalen, wo die systembedingte Inflation der Geldmenge enden wird.

Was ist eigentlich Inflation? So genau wird einem das mit der Inflation in der Schule, in der Tageszeitung oder im Fernsehprogramm ja nicht erklärt. Es ist auf jeden Fall immer ein ominöser Warenkorb mit von der Partie, mitdessen Hilfe eine Preissteigerungsrate (fälschlicherweise oft auch Inflationsrate genannt) ermittelt wird.

Ein Warenkorb, in den eben alle Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs hineinkommen, also Konsumgüter. Das klingt ganz gut, ermöglicht aber eine Menge Tricks. Ich kann die Zusammenstellung in meinem Warenkorb beispielsweise so ändern, dass ich von den Dingen, die teurer werden einfach weniger in den Warenkorb lege und dafür mehr von den Dingen, deren Preise fallen. Ich kann also die Gewichtung verändern oder bereits von Beginn an so bestimmen, wie es mir am besten passt. Mal sehen, hier lassen sich die einzelnen Waren und Güter der in der unteren Grafik aufgeführten Gruppen im Einzelnen nachvollziehen.

Quelle: destatis.de
Interessant: Die Gruppe Verkehr liegt mit einem Anteil von 13,2 % am Warenkorb auf Platz 3, dicht gefolgt von Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke mit einem Anteil von 10,4 % (davon 9 % Nahrungsmittel). Sind diese Quoten repräsentativ für die deutsche Bevölkerung oder für Sie ganz persönlich? Viele würden die Gewichtung der Gruppe Verkehr vielleicht mit dem Preis an der Zapfsäule rechtfertigen. Gehen wir ins Detail: Kraft- und Schmierstoffe für Privatfahrzeuge (darunter fallen die bekannten Benzin- und Dieselsorten) sowie Motorenöl machen nur 27,2 % der Gruppe Verkehr aus und haben einen Anteil von 3,6 % am gesamten Warenkorb. Der Kauf von Fahrzeugen, also Neu- und Gebrauchtwagen, sowie Motor- und Fahrräder fließt zum Beispiel zu 3,8 % in die Preisentwicklung des Warenkorbs ein. Komplettiert wird die Gruppe durch Verkehrsdienstleistungen (1,9 %) und Waren und Dienstleistungen für den Betrieb von Privatfahrzeugen (ohne Tanken = 4 %). Erkennbar ist eine Unterrepräsentanz der Kraftstoff-Preise an der Zapfsäule, die seit langem nur noch eine Richtung kennen...


Laut Statistischem Bundesamt gibt der deutsche Durchschnittsbürger im Monat bzw. Jahr von seinen Konsumausgaben unter anderem

- 20,3 % für Wohnungsmieten
- 5,6 % für Möbel, Apparate, Geräte für Haushalt + Instandhaltung
- 3,7 % für Bekleidung
- 3,3 % für Frischwasserversorgung, Abwasser und Müllabfuhr
- 3,2 % für Verpflegungsdienstleistungen (Restaurant, Café, Mensa)
- 2,7 % für Telekommunikationsdienstleistungen
- 2,6 % für Pauschalreisen
- 2,5 % für Versicherungsdienstleistungen (Wohnung, Gesundheit, Verkehr)
- 2,2 % für Tabakwaren
- 2,2 % für Köperpflege (Friseur, Hygieneartikel)
- 2,2 % für Spielzeug, Sport- und Gartenausrüstung
- 2,2 % für Fleischwaren
- 2,0 % für Wartung und Reparatur von Privatfahrzeugen
- 1,1 % für Gemüse aus.

Vermutlich wird sich nicht jeder beim Überfliegen der letzten Zeilen in allen Punkten wiedergefunden haben. Woran mag das liegen? Nun, es ist DEIN individuelles Leben mit DEINEM individuellen Konsumverhalten. Somit ergibt sich für dich auch deine individuelle Preissteigerungsrate. Es stellt sich die Frage, ob die Methode des Statistischen Bundesamtes sinnvoll bzw. überhaupt von Nutzen ist.


Ist doch vollkommen klar, dass sich bei Martina (27 Jahre, Fitnesstrainerin, ernährt sich vorwiegend vegetarisch, fährt überwiegend mit dem Fahrrad zur Arbeit, wohnt mit Freund Mario in München-Mitte zur Miete, geht gerne feiern und legt viel Wert auf ihr Äußeres), Malte (42 Jahre, Lebenskünstler und Kapitalismusgegner, ...) und Ingo (36 Jahre, Zahnarzt, Familienvater (Kinder 2 und 4), wohnt mit Ehefrau Sabrina (Lehrerin im Mutterschaftsurlaub) in einer 360m² großen Eigentumswohnung in einem Bremer Vorort und führt seine Gattin des Öfteren zu einem leckeren Essen aus) völlig unterschiedliche Preissteigerungsraten ergeben. Sie leben schließlich alle ihr eigenes Leben und nicht das irgendeines Durchschnitts.

Es ist dabei immer noch nicht klar, WO und ZU WELCHER QUALITÄT ich die Waren und Dienstleistungen einkaufe und in meinen Warenkorb lege und ob diese Faktoren nicht über die Zeit verändert werden. Lebensmittel beim Discounter, im Bio-Laden, im Asia-Shop oder vielleicht doch direkt beim Bauern des Vertrauens? Die Preisentwicklung wird über die Monate bei beiden Anbietern unterschiedlich sein. Bekleidung von Kik, H&M, Second Hand oder der Boutique? Mietwohnung in Nord-, Süd-, West- oder Ostdeutschland; in der Stadt oder etwas ländlicher?

Die Hedonische Methode setzt dem Ganzen dann den Gipfel auf. Hierzu möchte ich aus dem Buch C(r)ashkurs von Dirk Müller zitieren:
"Das klingt schon so, dass man sich gar nicht damit beschäftigen will. Soll es auch. Auf Deutsch klingt das schon viel interessanter: "Lustzugeweinn". Da wird man doch hellhörig und schaut sich zur Erklärung ein Beispiel an: Sie benötigen einen neuen PC. Also gehen Sie in den Elektronikmarkt Ihres Vertrauens. Wie immer reicht für Ihre einfachen Word-Anwendungen das simpelste Modell aus. Sie stellen das Gerät an die Kasse und bezahlen 1100 Euro. Letztes Jahr haben Sie noch 1000 Euro bezahlt. "Na ja", denken Sie sich, "ist halt 10 Prozent teurer gewoden." Aber am Ausgang steht ein Statistiker und rechnet Ihnen vor: "Nein, nein! Das sehen Sie völlig falsch! Letztes Jahr hatte der PC 2 Ghz. Jetzt hat der Prozessor 4 Ghz. Da haben Sie ja einen Lustzugewinn von 100 Prozent!!! Und das für nur 10 Prozent mehr Geld. In Wirklichkeit ist der PC also viel billiger geworden. Haben Sie sich schon überlegt, wofür Sie all das gesparte Geld jetzt ausgeben werden? Die Regierung rechnet fest damit, dass Sie damit die Konjunktur ankurbeln!" Sie werden sich verwundert die Augen reiben, vorsichtig weitergehen und hoffen, dass der Irre nicht gefährlich ist...[...]" vgl. Seite 31.

Festzuhalten bleibt, dass die offizielle ausgewiesene deutsche "Inflationsrate" eine außerordentlich schlechte, wenn nicht sogar beinahe willkürliche Steigerungsrate des Preisniveaus der in Deutschland zu erwerbenden Waren und Dienstleistungen darstellt, aber...

...Inflation ist etwas völlig Anderes!